Rathaus Key Visual 1, © Tourist Information Kochel a. See, Fotograf: D. Weickel

Auszug - Geschäftsordnung des Gemeinderates Kochel a. See (GeschOGRK), Beschlussfassung  

16. Sitzung des Gemeinderates Kochel a. See
TOP: Ö 7.3.2
Gremium: Gemeinderat Kochel a. See Beschlussart: geändert beschlossen
Datum: Di, 27.07.2021 Status: öffentlich/nichtöffentlich
Zeit: 18:00 - 22:00   (öffentlich ab 19:00) Anlass: Sitzung
Raum: "Heimatbühne", Saal, Mittenwalder Straße 14
Ort: Haus des Gastes
 
Wortprotokoll
Beschluss
Abstimmungsergebnis

In der Sitzung des Gemeinderats Kochel a. See v. 22.06.2021 hat der Vorsitzende als Sitzungsleiter i. S. d. Art. 36 S. 1 Bayerische Gemeindeordnung (GO) i. V. m. § 10 Abs. 1 S. 1 Geschäftsordnung des Gemeinderates Kochel a. See (GeschOGRK) bei TOP 3.2. (Gemeindliche Bauleitplanung; Bebauungsplan Nr. 36 - Karwendelblick, OT Urfeld; Abschluss eines städtebaulichen Vertrags) folgenden Beschlussvorschlag zur Abstimmung gestellt: „Mit den Antragstellern auf Bauleitplanung für den Bereich Hotels „Karwendelblick“ im OT Urfeld (Bebauungsplan Nr. 36 - Karwendelblick, OT Urfeld), ist über die Planungskosten ein städtebaulicher Vertrag abzuschließen. Nachdem dieser Vorschlag per Powerpoint an der Leinwand angezeigt und im Wortlaut vorgetragen wurde, hat der Vorsitzende die Frage gestellt: „Gibt es Gegenstimmen gegen diesen Beschlussvorschlag?“ Diese Form der Abstimmung führt der Vorsitzende zur Abwechslung für die Sitzungsteilnehmer insbesondere dann durch, wenn mit keinen oder nur sehr wenigen Nein-Stimmen gerechnet werden. Dies war vorliegend auch der Fall, da die Abstimmung bei einem nahezu identisch gelagerten Sachverhalt beim vorangegangenen TOP 3.1. (Gemeindliche Bauleitplanung; Bebauungsplan Nr. 10 - Ötzgasse, OT Ort; Abschluss eines städtebaulichen Vertrags) nur drei Gegenstimmen ergab.

 

Auf diese Abstimmungsfrage wurde dem Vorsitzenden vorgehalten, dass angeblich nach § 28 Abs. 4 GeschOGRK die Abstimmung so nicht durchgeführt werden dürften. Es müsse immer zunächst die Frage nach den Ja-Stimmen gestellt werden. Der Vorsitzende hat die folgenden Abstimmungen in der Gemeinderatssitzung v. 22.06.2021 dementsprechend durchführen lassen.

 

Eine detaillierte Überprüfung der Rechtslage ergab inzwischen ein deutlich anderes Bild:

Die Geschäftsordnung des Gemeinderats Kochel a. See sieht in § 28 Abs. 4 S. 3 folgende Regelung vor: „Grundsätzlich wird in der Reihenfolge „ja“ – „nein“ abgestimmt.“ Allerdings ist bei dieser Vorschrift die besondere Stellung und insbesondere die allgemein anerkannte Bedeutung des Wortes „grundsätzlich“ zu berücksichtigen. Zu der Formulierung des § 28 Abs. 4 S. 3 GeschOGRK ist vor diesem Hintergrund festzustellen, dass der verwendete Begriff „grundsätzlich“ in der Rechtssprache (Rechtsverständnis) eine andere Bedeutung hat, als in der Umgangssprache. In der Umgangssprache wird „grundsätzlich“ meist im Sinne von „ausnahmslos“ gebraucht (z.B. „grundsätzlich nicht“ = „nie“ = „auf keinen Fall“). Dagegen bedeutet „grundsätzlich“ in der Rechtssprache etwas anderes: „Vom Grundsatz her schon, aber mit Ausnahmen“ oder „in der Regel schon, aber nicht zwingend“. Damit ist allein aus der GeschOGRK schon zu erkennen, dass auch eine Abstimmung in der Reihenfolge „nein“ – „ja“ nicht ausgeschlossen ist. Im Gegenteil besagt § 28 Abs. 4 S. 3 GeschOGRK lediglich, dass im Regelfall zunächst nach den Ja-Stimmen gefragt werden soll. Ein anderweitige Abstimmungsreihenfolge ist nicht explizit ausgeschlossen und daher auch unproblematisch zulässig.

Diese Regelung in der GeschOGRK deckt sich weiterhin mit der herrschenden Meinung in der Literatur. Dort ist man sich einig, dass es in der Praxis nicht selten vorkommt, dass bei einer Abstimmung nur nach den Nein-Stimmen gefragt wird und die positive Gegenprobe (Zählung der abgegebenen Ja-Stimmen) sogar unterbleibt. Dieses Verfahren ist nach allgemeiner Auffassung rechtlich nicht zu beanstanden. Vielmehr ist die Formulierung des Antrags/Beschlussvorschlags Aufgabe des Ersten Bürgermeisters als Vorsitzenden i. S. d. Art. 36 S. 1 GO. Dabei ist aus Gründen der Rechtsklarheit auf der Grundlage entsprechender Regelungen in der Geschäftsordnung insbesondere darauf zu achten, dass er insgesamt bei der Abstimmung von jedem einzelnen Gemeinderatsmitglied mit „Ja“ angenommen oder mit „Nein“ abgelehnt werden kann.

Gegen diese Vorgehensweise kann auch nicht eingewandt werden, dass nur derjenige, der einen Antrag bzw. Beschlussvorschlag ablehnt, untätig bleiben könne, während derjenige, der eine positive Entscheidung begehrt, d. h. mit „Ja“ stimmen will, auch eine positive Erklärung abgeben müsse. Aufgrund des Stimmenthaltungsverbots (Art. 48 Abs. 1 Satz 2 GO), ist ein Untätigbleiben bei der Frage nach Nein-Stimmen als Ja-Stimme zu werten. Durch die Stellung der Abstimmungsfrage und die nach dem Abstimmungsvorgang zu treffende Feststellung des Abstimmungsergebnisses wird für die Abstimmungsberechtigten außerdem deutlich, dass eine Abstimmung stattfindet bzw. stattgefunden hat. Damit ist ausgeschlossen, dass unbemerkt eine Abstimmung durchgeführt wird. Festzuhalten ist, dass die GO eine Abstimmungsreihenfolge für die Frage nach Ja- und Nein-Stimmen nicht vorsieht und auch von der Rechtsprechung und/oder Literatur an keiner Stelle gefordert wird.

 

In diesem Zusammenhang wird auch auf das Schreiben der Kommunalaufsicht im Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen v. 06.07.2021 (Az. 41.101-02 K) in der Anlage verwiesen, in der explizit die Rechtsauffassung der Gemeindeverwaltung bestätigt und die Vorgehensweise bei der Abstimmung zunächst nach den Nein-Stimmen zu fragen ausdrücklich nicht beanstandet wurde.


Beschluss:

 

Die Ausführungen zur Reihenfolge der Abstimmungsfrage bei der Beschlussfassung wird zur Kenntnis genommen und die korrekte Vorgehensweise des Vorsitzenden in der Vergangenheit bestätigt.


Abstimmungsergebnis:

 

13 : 2