Rathaus Key Visual 1, © Tourist Information Kochel a. See, Fotograf: D. Weickel

Vorlage - K-0203/2020-01  

Betreff: Änderung der Bayerischen Bauordnung; Abstandsflächensatzung, Neuerlass
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage GRK
Federführend:Hauptverwaltung Bearbeiter/-in: Holz, Thomas W.
Beratungsfolge:
Bau-, Straßen- und Umweltausschuss Vorberatung
Gemeinderat Kochel a. See Entscheidung
26.01.2021 
10. Sitzung des Gemeinderates Kochel a. See ungeändert beschlossen   

Beschlussvorschlag
Vormerkung
Finanzielle Auswirkungen

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Beschlussvorschlag:

 

 

Die Abstandsflächensatzung (AFS) wird in der Fassung v. 26.01.2021 erlassen. Die Satzung tritt zum 01.02.2021 in Kraft. Erster Bürgermeister Holz wird zum Erlass und zur Ausfertigung ermächtigt.

 

 

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Vormerkung:

 

Zum 01.02.2020 wird eine neue Fassung der Bayerischen Bauordnung (BayBO) in Kraft treten. Unter anderem soll das Abstandflächenrecht, Art. 6 BayBO, in erheblichem Maße geändert werden.

In seiner Sitzung am 08.12.2020 hat der Bau-, Straßen- und Umweltausschuss die Gemeindeverwaltung beauftragt, eine Satzung zu entwerfen, mittels derer es möglich ist, die in den Dorfgebieten des Gemeindegebiets Kochel a. See über die Jahre gewachsene dörfliche Struktur beizubehalten.

 

Dass die Entscheidung relativ kurzfristig zu erfolgen hat, ergibt sich aus Zwängen, die auf Vorgaben des Landesgesetzgebers zurückzuführen sind: Der Bayerische Landtag hat am 02.12.2020 den Gesetzentwurf der bayerischen Staatsregierung zur Novelle der Bayerischen Bauordnung verabschiedet. Politischer Wille war u. a. die Ermöglichung von Nachverdichtung. Das gesetzliche Abstandsflächenrecht (Landesrecht, BayBO) begrenzt und steuert neben den bauplanungsrechtlichen Vorschriften (Bundesrecht, BauGB) die Nachverdichtung. Es ist insbesondere im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) sowie im Geltungsbereich von Bebauungsplänen relevant, welche auf die jeweils geltenden gesetzlichen Abstandsflächen verweisen (sog. dynamische Verweisung.)

Das gesetzliche Abstandsflächenrecht hat folgende Zielsetzungen:

-          Belichtung, Belüftung und Besonnung der Baugrundstücke durch größere Freiflächen (Gärten)

-          Sicherstellung von Flächen für Nebenanlagen

-          Herstellung des Wohnfriedens in der Nachbarschaft.

Das Gesetzesvorhaben sieht zum 01.02.2021 unter anderem eine Novellierung des Abstandsflächenrechts mit einer Verkürzung der Abstandsflächentiefen von 1,0 H bzw. 0,5 H auf 0,4 H vor (H = Wandhöhe des Gebäudes, gemessen von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut bei Satteldächern oder bis zum oberen Abschluss der Wand bei Flachdächern). Diese Regelung ist seit 2002 in der Musterbauordnung enthalten gewesen und hat seitdem sukzessive Eingang in das Abstandsflächenrecht der meisten übrigen Bundesländer erhalten.

 

Die Unterschiede zwischen aktuell geltendem und nach dem 01.02.2021 geltendem Abstandsflächenrecht lassen sich wie folgt darstellen:

-          Bisher galt:  

Die Tiefe der Abstandsflächen beträgt 1 H, mindestens 3 m. In Kerngebieten und in festgesetzten urbanen Gebieten beträgt die Tiefe 0,5 H, in Gewerbe- und Industriegebieten 0,25 H, mindestens jeweils 3 m. Vor zwei Außenwänden von nicht mehr als 16 m Länge genügt als Tiefe der Abstandsflächen die Hälfte der (...) erforderlichen Tiefe, mindestens jedoch 3 m (...). (sog. 16m-Privileg).

-          Neue Regelung ab 01.02.2021:

Die Tiefe der Abstandsflächen beträgt 0,4 H, in Gewerbe- und Industriegebieten 0,2 H, jeweils aber mindestens 3 m.

-          Zusammenfassender Vergleich:

Da die Verkürzung der Tiefe der Abstandsflächen für alle Gebäudeseiten gilt, wird zukünftig auf das sogenannte Schmalseitenprivileg verzichtet, das vor zwei Außenwänden (Lage nach Wahl des Bauherrn) mit weniger als 16 m Länge bisher nur ein halbes „H“ als Abstandsflächentiefe verlangte. In Kerngebieten und festgesetzten Urbanen verkürzen sich künftig die Abstandsflächen von 0,5 auf 0,4 H, in Gewerbe- und Industriegebieten von 0,25 auf 0,2 H, mindestens jedoch 3 Meter. Die Mindestabstandsfläche von 3 Metern bleibt unverändert.

 

Neben der Verkürzung der Tiefe der Abstandsflächen verändern sich auch die Berechnungsparameter der Abstandsflächen u. a. bei den Giebel- und Dachflächen erheblich. Während die Abstandsfläche der Dachflächen rechteckig bleibt wie bisher, erhält die Abstandsfläche der Giebelseite künftig im oberen Bereich die Form des Daches. Letzteres ist insofern bedeutsam, als sich für den Bauherrn im Einzelfall sogar ungünstigere Abstandsflächen ergeben können. Nachfolgende Grafik zeigt die neue Abstandsflächenbemessung am Beispiel eines Hauses mit Sattelfach:

 

Nachfolgende Grafik zeigt ein Gebäude mit Flachdach im Grundriss (Draufsicht) mit den wesentlichen Unterschieden zur bisherigen Abstandsflächenbemessung:

 

 

Der Landesgesetzgeber hat mit dem neuen Abstandsflächenrecht zum 15.01.2021 auch eine Satzungsbefugnis zur Festlegung abweichender Abstandsflächentiefen bis zu 1 H für die Städte und Gemeinden verabschiedet (Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 a BayBO n.F.). Die Tiefe der Abstandsflächen kann von der Gemeinde also zwischen 0,4 H und 1,0 H selbst gewählt werden. Die Satzung kann aber nur zur Erhaltung und Verbesserung von Wohnqualität erlassen werden und muss auch entsprechend begründet werden. Zu beachten ist besonders, dass nach Hinweisen des Ministeriums eine Satzung vor dem 01.02.2021 zu erlassen wäre, da ansonsten möglicherweise haftungsrechtliche Folgen aufgrund möglicher Baurechtseinschränkungen zu befürchten sind.

 

Nach Informationen der Gemeindeverwaltung haben sich die meisten Gemeinden im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen dazu entschieden, eine entsprechende Satzung zu erlassen. Die Verwaltung hat eine Satzung erarbeitet, die für folgende ausgewählte Bereiche vorschlägt, das gesetzliche kürzere Abstandsflächenrecht anzuwenden:              - Ortsteil Ried

- Ortsteil Ort mit Pessenbach

- Ortsteil Kochel a. See

- Ortsteil Walchensee

Diese Bereiche kennzeichnen sich zusammengefasst dadurch, dass sie bereits ein gewisses städtebauliches Gewicht aufweisen und damit einem erhöhten Siedlungsdruck und damit der Nachverdichtung ausgesetzt sind. Diese Gebiete wurden gewählt um das Abstandsflächenrecht zur Sicherung und Verbesserung der Wohnqualität zu vergrößern.

 

Der Verwaltungsvorschlag beinhaltet eine Tiefe der Abstandsflächen von 0,8 H, mindestens jedoch 3 m. Die Weiterführung der bisher geltenden 1,0 H erscheint nicht sinnvoll, da hierdurch bedingt durch die gesetzlich geänderte Form der Giebelwand (siehe oben; alt: rechteckig; neu: Form des Giebels) ansonsten für den Bauherrn ungünstigere Abstandsflächen anfallen können. Dies verdeutlicht die nachfolgende Grafik:

 

Flächenmäßig wird die neue Abstandsfläche kleiner. Im Bereich der zum Betrachter ausgeklappten Abstandsfläche der Giebelwand (hier unten auf der Grafik) kommt es aber im Bereich zwischen der roten und der blauen Linie (kleines Dreieck ganz unten) zu einer längeren Abstandsfläche, obwohl das rechnerische Maß der Tiefe der Abstandsflächen im Beispiel kleiner geworden ist.

 

Die Bauherren sollen durch die Abstandsflächensatzung gegenüber dem bisherigen Recht allerdings nicht benachteiligt werden. Ein dem alten Recht zumindest angenäherter Zustand wird über die Anwendung von 0,8 H erreicht. Eine vollständig gleiche Lösung wie bisher ist nicht möglich, da es nicht zulässig ist, von der neuen Form der giebelflächigen Abstandsfläche und der entsprechenden Berechnungsmethode durch Satzung abzuweichen.

 

Bei einer exemplarischen Dachneigung von 45 Grad, einer Dachhöhe von 3 m und einer Gebäudehöhe von 6 m hätte dies folgende Auswirkungen:

   altes Recht  neues Recht  Satzung

-          Giebelseite:    6,0 m (1 H)     2,4 m (0,4 H)    4,8 m (0,8 H)

+ 1,0 m (1/3 H) + 1,2 m (0,4 H) + 2,4 m (0,8 H)

= 7,0 m  = 3,6 m  = 7,2 m

-          Traufseite:    6,0 m (1 H)     2,4 m (0,4 H)    4,8 m (0,8 H)

+ 1,0 m (1/3 H) + 1,0 m (1/3 H) + 1,0 m (1/3 H)

= 7,0 m  = 3,4 m  = 5,8 m

Zu erkennen ist, dass zwar giebelseitig eine leichte Erweiterung der Abstandsflächen erfolgt, dies aber vor dem Hintergrund der Lage der Gärten durchaus wünschenswert ist. Dagegen ist traufseitig ein „näher zusammenrücken“ mit der in der Satzung gewählten 0,8 H-Regel durchaus möglich, ohne dass es zu einem für die Wohnqualität nicht mehr förderlichen „Aufeinanderdrücken“ kommt.

 

Anzumerken ist, dass es grundsätzlich durchaus möglich ist, mit einigem zeitlichen Abstand die Abstandsflächensatzung zu ändern. Alternativ kann auch mit dem Erlass von Bebauungsplänen gearbeitet werden, um nach Erlass der Abstandsflächensatzung Nachverdichtung zu ermöglichen. Hier tritt aber das bekannte Problem auf, dass Bebauungspläne gerade im Bestand anspruchsvoll und zeitaufwendig sind und dementsprechend viele Ressourcen binden.

 

Der Erlass einer Satzung bietet letztlich die Möglichkeit, die Erfahrungen zu den neuen Abstandsflächen aus anderen bayerischen Kommunen und Teilen des eigenen Gemeindegebietes abzuwarten. Es wird dadurch die Nachverdichtung nicht vollständig verwehrt, aber einer nicht gewollten Nachverdichtung vorgebeugt, die Wohnqualität und Erscheinungsbild der Stadt in einigen Teilen (unbeplante Bereiche die nicht im Satzungsvorschlag der Verwaltung für kürzere Abstandsflächen vorgeschlagen werden) nachhaltig verändern könnte.

 

 

 

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Finanzielle Auswirkungen:

 

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